Vom 13. April bis zum 28. Juli 2024 zeigte das Kulturzentrum Ostpreußen in Ellingen eine Sonderausstellung über den „Seedienst Ostpreußen“, der 1920 mit der Abtrennung Ostpreußens durch den „Polnischen Korridor“ offiziell seinen Dienst als Schifffahrtsverbindung aufnahm.
Für allen Interessenten, die die Ausstellung in den Räumen des Kulturzentrums in Ellingen nicht besuchen konnten, wurde nun ein Begleitheft aufgelegt, in dem alle 36 Bildtafeln – ergänzt durch weitere zahlreiche Informationen über die verwendeten Schiffe – enthalten sind.
Nach den Bestimmungen des „Versailler Vertrages“ verfügte Ostpreußen nach der Abtretung der Gebiete links der Weichsel über keine Landverbindung mehr mit dem übrigen Reichsgebiet. Obwohl der Durchgang auf dem Landweg im Vertrag zugesichert war, setzte das Reichsverkehrsministerium von Anfang an darauf, diesen unsicheren Weg mit der Errichtung des „Seedienstes Ostpreußen“ im Jahre 1920 nach Möglichkeit zu umgehen.
Seine größte Bewährungsprobe erlebte der Seedienst gleich nach der Gründung, als bis zum Termin der Volksabstimmung über den Verbleib der ostpreußischen Gebiete am 11. Juli 1920 knapp 90.000 Personen die kostenlose Reisemöglichkeit nutzten – allein am 7. Juli verkehrten 20 Schiffe mit rund 13.500 Fahrgästen.
Aber auch später, mit zunehmendem touristischen Interesse der Bevölkerung, war der Seedienst mit einem Reisepreis von 32,40 Mark im Jahre 1934 für die Rückfahrkarte auf der Strecke Lübeck–Zoppot gegenüber der Bahnfahrt von 53,80 Mark ein preiswertes und beliebtes Transportmittel. Der Lufthansaflug, der nur etwas über 4 Stunden von Berlin nach Königsberg benötigte, war für die meisten Menschen unbezahlbar und somit keine direkte Konkurrenz. Als nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges dieser Beförderungszweig wegfiel, gab es zum Kriegsende noch einmal die große Stunde der Ostseeschiffe, die für die Rettung der Bevölkerung vor der Roten Armee eingesetzt wurden.
Die politischen Hintergründe des Seedienstes, der nie gewinnbringend arbeitete und im Februar 1925 vom Reichverkehrsministerium übernommen wurde, sind auf den im Begleitheft abgedruckten mehrfarbigen Schautafeln im Detail dargestellt. Dazu kommen umfangreiche Erläuterungen über die eingesetzten Schiffe auf der ersten Linie zwischen Swinemünde und Pillau, der „SS Hörnum“ und der „SS Helgoland“, die ursprünglich Minensuchboote der Kaiserlichen Marine im Ersten Weltkrieg waren.
Die Aufstellung der eingesetzten Schiffe endet mit den eigens für die späteren Linienerweitungen nach Memel und Liebau in Lettland im Osten sowie nach Kiel und Lübeck im Westen gebauten Schiffe „MS Preußen“ und „MS Hansestadt Danzig“ im Jahr 1926 und dem 1933 folgenden Dampfturbinenschiff „TS Tannenberg“. Mit diesen Schiffen konnten auch die Fahrzeiten verändert werden, denn nun waren Kabinen für eine Übernachtung vorhanden. Bei den älteren Schiffen war eine Übernachtung an Bord nicht möglich, was eine Abfahrtszeit in Swinemünde um 4 Uhr morgens erforderte. Die Ankunft in Pillau erfolgte um 22 Uhr.
Ein weiterer Abschnitt ist der 1939 vom Stapel gelaufenen „MS Marienburg“ gewidmet, deren Bau wegen des Kriegsausbruches eingestellt und nicht vollendet wurde. Das während dieser Zeit auf dem Dammschen See bei Stettin liegende halbfertige Schiff wurde erst nach Kriegsende im Auftrag der UdSSR in Wismar fertiggestellt und danach im Schwarzen Meer eingesetzt. Nach einem Unfall 1977 wurde es 1980 in Barcelona verschrottet.
Mehrere Tafeln beschreiben die touristischen Ziele, für die der Seedienst warb zum Beispiel mit den „Tannenbergfahrten“ warb. Eingeschlossen waren der Besuch des Tannenbergdenkmals in Hohenstein, des Abstimmungsdenkmals in Allenstein, des Feldherrnhügels in Frögenau und verschiedene im Süden von Ostpreußen angelegte Ehrenfriedhöfe wie der in Waplitz.
In den Texten werden die Beförderungszahlen für die einzelnen Betriebsjahre aufgeführt, die zwischen 1935 und 1938 am höchsten lagen. In dieser Zeit mussten weitere Schiffe von verschiedenen Reedereien angemietet werden, um die erforderliche Kapazität für die Reisenden bereitstellen zu können. Darunter waren ältere Schiffe wie die „Odin“ und die „Hertha“ der Reederei Braeunlich in Stettin und die Fährschiffe „Preußen“ und „Schwerin“ der Deutschen Reichsbahn.
Ab Mai 1939 beförderten die Schiffe immer öfter militärische Güter, bevor sie am am 27. August 1939 in die Kriegsmarine übernommen wurden. Ab Oktober 1939 wurden Deutschbalten aus den baltischen Staaten umgesiedelt, da diese Länder nach einem Geheimabkommen der UdSSR überlassen werden sollten. Mit 169 Reisen wurden etwa 74.000 Deutsche aus dem Baltikum in das Reichsgebiet gebracht.
1941 wurden die drei Neubau-Schiffe zu Minenlegern umgebaut und in der Ostsee eingesetzt. Am 9. Juli 1941 fuhren sie in einem Geleitzug mit weiteren Minensuchbooten und Minentransportern trotz Warnung der schwedischen Marine in ein von den Schweden ausgelegte Minenfeld vor der Insel Öland. Alle drei Schiffe liefen auf Minen auf und sanken nach den Explosionen innerhalb einer Stunde.
Abgerundet wird das Heft „Seedienst Ostpreußen“ durch einen umfangreichen Tabellenteil über die technischen Daten der einzelnen eingesetzten Schiffe sowie einer Auflistung über deren Einsatz nach dem Zweiten Weltkrieg und dem anschließenden Verbleib. Bemerkenswert ist, dass von der 1910 gebauten „Kronprinz Wilhelm“ und späteren „Undine“ in Rostock noch der Rumpf vorhanden ist und teilweise erhalten werden soll.
Das 50-seitige, auf hochwertigem Kunstdruckpapier gefertigte Begleitheft „Seedienst Ostpreußen“ zur gleichnamigen Ausstellung des Kulturzentrums Ostpreußen in Ellingen enthält die Bildtafeln der Ausstellung mit zahlreichen mehrfarbigen Landkartenausschnitten, Fotos und Ansichtskarten der eingesetzten Schiffe, Prospekte und Werbeplakate sowie eine Auswahl der touristischen Ziele. Die Broschüre wurde mit Unterstützung des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales erstellt.
Das Druckwerk kann vom Kulturzentrum Ostpreußen Ellingen in der Schloßstraße 9, 91792 Ellingen,
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