Erfolgreiches Heimatreffen in Hamm am 12. Juni 2022

von Burghard Gieseler

Bei Waldemar Czichon, dem langjährigen Organisator des Jahrestreffens in Hamm, war die Spannung groß, ob nach dreijähriger coronabedingter Pause und einer Verlegung des Tagungsortes genügend Teilnehmer den Weg nach Hamm zum traditionsreichen Regionaltreffen der Kreisgemeinschaft Osterode Ostpreußen antreten würden.

Und tatsächlich füllte sich der Saal zunächst noch etwas zögerlich, weil wohl einige Teilnehmer den neuen Veranstaltungsort nicht auf Anhieb hatten finden können. Aber pünktlich zu Beginn der Feierstunde waren die meisten Plätze besetzt und die Freude über das langersehnte Wiedersehen war sichtlich groß. Kreisvertreter Burghard Gieseler freute sich, ca. 60 Teilnehmer begrüßen zu können – das war weniger als vor drei Jahren, aber deutlich mehr als befürchtet. Besonders freute er sich über neue und auch jüngere Gesichter.

Gespräch zwischen den Generationen

Die Bürgermeisterin der Stadt Hamm, Monika Simshäuser, richtete – noch sichtlich gerührt von der Totenehrung – ein einfühlsames Grußwort an die Anwesenden, in dem sie die heutigen Flüchtlinge aus der Ukraine mit den damaligen Flüchtlingen aus Ostpreußen verglich und ihre enge Verbundenheit mit beiden bekundete.

Kreisvertreter Gieseler griff in seiner Ansprache das Grußwort der Bürgermeisterin auf und führte aus:

„Nach wie vor blutet mein Herz, wenn ich im Fernsehen die Trümmerwüsten der ukrainischen Städte sehe, wenn ich an die geschundene und gequälte Zivilbevölkerung oder wenn ich an die unzähligen gefallenen Soldaten auf beiden Seiten denke. Wieder weinen in Europa Ehefrauen, Kinder und Mütter um ihre Männer, Väter und Söhne. Ich kann und will mich nicht daran gewöhnen.

Kreisvertreter Burghard Gieseler

Und doch beobachte ich eine gewisse Gewöhnung, die zusammen mit historischer Unkenntnis und politischer Inkompetenz eine gefährliche Mischung ergibt. Auch sehe ich eine gewisse Verwirrung bei den moralischen Bewertungsmaßstäben. So sagte kürzlich der Journalist Jan Fleischhauer: ‚Besonnenheit ist das neue Wort für Nichtstun.‘ Er meinte wohl, dass einige Politiker Besonnenheit vorschützen, um nichts tun zu müssen. Die Besonnenheit ist indessen eine der vier Kardinaltugenden. Sie ist das Gegenteil von Maßlosigkeit, sie ist also das Einhalten des rechten Maßes. Bezogen auf die gegenwärtige Situation heißt dies konkret: Die Nachteile müssen für Putin deutlich empfindlicher ausfallen als die Vorteile, die er sich von etwaigen Eroberungen verspricht. Andererseits dürfen sie nicht so gravierend sein, dass der Krieg eskaliert und die ganze Welt mit in den Abgrund gerissen wird.

Das aktuelle Kriegs- und Flüchtlingselend lässt gerade uns nicht kalt. In den vergangenen Wochen erhielt ich zahlreiche Anrufe von älteren Ostpreußen, die mir ihre Fluchterlebnisse erzählten. Dabei wurde mir deutlich, dass die alten Wunden der Kindheit wieder aufgebrochen waren. Ich fühle mit ihnen und erahne ihre Schmerzen.

Sichtbar wird in diesen Tagen aber auch der Unterschied zwischen Flucht und Zuwanderung: Der Flüchtling sucht vorübergehend Schutz vor den Kriegshandlungen in seiner Heimat und er wünscht sich nichts sehnlicher als zurückzukehren, sobald es die Lage zulässt. Der Zuwanderer kommt – wie der der Name schon sagt – um zu bleiben. Diesen offensichtlichen Unterschied sprechen wir offen aus, auch wenn andere ihn verwischen wollen.

                        

Plenum

Jede Krise birgt in sich aber auch Chancen. Editha Westmann, die niedersächsische Landesbeauftragte für Heimatvertriebene und Spätaussiedler, weist in ihrem Grußwort zum Jahrestreffen unserer Landsmannschaft auf folgende Wechselwirkung hin: ‚Erinnerungen an das Leid und die Leistungen der deutschen Heimatvertriebenen schaffen Verständnis für die derzeit aus der Ukraine flüchtenden Menschen. Andersherum möge es sich genauso verhalten: Die Schicksale der ukrainischen Zivilbevölkerung sollten auch Empathie für die ostpreußischen Frauen und Kinder schaffen, die vor rund 80 Jahren aus ihrer Heimat vertrieben wurden.‘ Dazu passt eine kleine Begebenheit, die ich Ihnen gerne erzählen möchte: Als ich erfuhr, dass wir die bisherige Halle für unser Regionaltreffen in diesem Jahr nicht nutzen können, weil dort Flüchtlinge aus der Ukraine untergebracht seien, rief ich den Besitzer der Halle an. Dieser glaubte zunächst, ich wolle mich beschweren. Aber ich sagte ihm, dass wir volles Verständnis für die Maßnahme hätten und jede Hilfe für die armen Flüchtlinge unterstützten. Denn wir seien ja selbst eine Flüchtlingsorganisation. Unsere Flüchtlinge seien jedoch über achtzig Jahre alt und für sie sei der Austausch mit ihren Schicksalsgefährten gerade jetzt so wichtig. Der Hallenbesitzer war beeindruckt und sagte mir spontan zu, sich um einen Ersatz zu bemühen. Bereits nach einer halben Stunde rief er wieder an und nannte mir den Saal, in dem wir heute sind.

Dieses kurze Gespräch bestätigt die hoffnungsvolle Aussage von Frau Westmann. Ihr gesamtes Grußwort finden Sie übrigens in unserer Preußischen Allgemeinen Zeitung/Das Ostpreußenblatt vom 10. Juni 2022. Ich empfehle all denjenigen, die die PAZ noch nicht regelmäßig lesen, sie zu abonnieren. Denn wir lassen Ihnen über die PAZ kurzfristig – wie jetzt beim Wechsel des Tagungsortes – wichtige Informationen zukommen und Sie können sich jede Woche umfassend darüber informieren, was sich in der ‚ostpreußischen Familie‘ so tut. Auch den überregionalen Teil lege ich Ihnen ans Herz. Die PAZ begleitet die gesellschaftlichen Verhältnisse kritisch, aber nicht schlagwortartig, sondern konstruktiv und argumentativ ausgewogen.

Liebe Landsleute, in wenigen Tagen fahre ich zu unserem nächsten Arbeitsbesuch nach Ostpreußen. Höhepunkt wird das Sommerfest der deutschen Minderheit im Freilichtmuseum in Hohenstein sein. Ich werde Ihre guten Gedanken und Grüße mit in die Heimat nehmen.“

Nach dem Ostpreußenlied und der deutschen Nationalhymne saßen die Teilnehmer noch lange bei Kaffee und Kuchen gesellig beisammen, während am Büchertisch Jürgen Ehmann sein neues Buch über das Tannenberg-Denkmal fleißig signierte.

Jürgen Ehmann beim Signieren

Waldemar und Angelika Czichon

Waldemar Czichon konnte – mit Recht – zufrieden sein.

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