Regionaltreffen der Kreisgemeinschaft Osterode Ostpreußen am 4. Juni in Hamm
von Burghard Gieseler
Zu Beginn des diesjährigen Regionaltreffens stand nicht nur den Organisatoren die Enttäuschung ins Gesicht geschrieben. Denn nur 30 bis 40 Teilnehmer – deutlich weniger als in den Vorjahren – hatten den Weg nach Hamm gefunden. Doch es zeigte sich sehr bald, dass ein kleiner Teilnehmerkreis auch Chancen bietet, weil er naturgemäß viel persönlicher ist. Je kleiner der Kreis, desto intensiver die Begegnungen. Niemand bleibt außen vor. Auf diese Weise fühlten sich besonders diejenigen, die erstmals an einem Treffen der KGO teilnahmen, gleich wohl und traten spontan unserer Gemeinschaft bei. Es war zwar das kleinste Regionaltreffen, wegen des regen Austausches zugleich aber auch das intensivste.
Nach der Totenehrung begrüßte Bürgermeisterin Monika Simshäuser alle Anwesenden mit freundlichen warmen Worten und bekannte dabei, dass auch ihre Mutter aus Ostpreußen gestammt habe. Wie im letzten Jahr ließ ihre Stimme erkennen, dass ihr die Begrüßung der Osteroder Ostpreußen keine Pflichtübung, sondern ein Herzensanliegen war.
Kreisvertreter Burghard Gieseler schenkte ihr als Dank Jürgen Ehmanns Buch „Das Tannenberg-Denkmal – Die kleine Geschichte eines großen Monuments“ und hielt folgende Ansprache:
„Vor einem Jahr stand der Krieg in der Ukraine im Mittelpunkt meiner Ansprache. Heute haben wir uns ein Stück weit an den Krieg gewöhnt. An dieser Stelle muss ich mich schon selbst unterbrechen. ‚An den Krieg gewöhnt?‘ Kann man sich denn an Krieg gewöhnen? Daran, dass so viele Menschen Tag für Tag ihr Leben gewaltsam verlieren? Direkt vor unserer Haustüre? Offenbar. Auf dem Weg hierher habe ich im Autoradio die Nachrichten gehört. Berichtet wurde vom Terror der Linksextremisten in Leipzig, vom Finale des DFB-Pokals, tja und dann kam schon der Wetterbericht. Vom Krieg kein Wort.
Dass wir uns an den Krieg gewöhnt haben, heißt aber gewiss nicht, dass er ungefährlicher geworden wäre. Im Gegenteil. Denn wenn wir uns die seit dem Kriegsbeginn vergangene Zeit nüchtern ansehen, müssen wir feststellen, dass sich die Eskalationsspirale seither kontinuierlich gedreht hat. Es graut mir, wenn ich mir vorstelle, wohin diese Entwicklung führen kann. Deshalb appelliere ich an die Politik, Besonnenheit zu wahren. Sie ist eine der vier Kardinaltugenden und heute wichtiger denn je. Damit ich nicht missverstanden werde: Selbstverständlich darf Putin mit seinem Überfall auf die Ukraine nicht durchkommen. Wenn die Weltgemeinschaft diesen eklatanten Bruch des Völkerrechtes hinnehmen würde, finge es an allen möglichen Ecken unserer Erde an zu brennen. China würde sich Taiwan einverleiben, Erdogan sich ein paar griechische Inseln nehmen usw. Andererseits darf die Entwicklung nicht immer weiter eskalieren, bis eines Tages die ganze Welt mit in den Abgrund gerissen wird.
Ich bin froh, dass ich mich in dieser Positionierung durch die ausführlichen Interviews, die General Kujat unserer Preußischen Allgemeinen Zeitung gegeben hat, bestätigt sehen darf. Als früherer Generalinspekteur der Bundeswehr und Vorsitzender des NATO-Militärausschusses analysiert er nicht nur mit profunden Kenntnissen die militärische Lage, sondern entwickelt auch – was leider selten ist – Konzepte für einen Waffenstillstand. Wenn jemand wie General Kujat seine Überlegungen in unserer PAZ publiziert, spricht dies für das hohe Ansehen, das sie seit dem Wechsel in der Chefredaktion genießt.
Ich lege Ihnen ein Abonnement der PAZ aber noch aus einem anderen Grund ans Herz. In dem Ostpreußenblatt, einem Teil der PAZ, können Sie sich Woche für Woche darüber informieren, was sich in der „ostpreußischen Familie“ so tut. Hier kündigen alle Kreisgemeinschaften und Landesgruppen ihre Veranstaltungen an und berichten anschließend über sie. Ferner hat das Ostpreußenblatt eigene Korrespondenten in Königsberg und Allenstein, die aktuell über die Entwicklungen in Ostpreußen berichten.
Liebe Landsleute, erlauben sie mir noch ein Wort zur Situation der KGO. Wie Sie in der vorletzten Osteroder Zeitung sicher gelesen haben, waren wir von der geringen Teilnehmerzahl bei unserem letzten Jahrestreffen in Lüneburg enttäuscht. Auch die heutige ebenfalls sehr geringe Beteiligung macht deutlich, dass wir an einem Wendepunkt angekommen sind. Wenn wir jetzt nicht den Generationenwechsel schaffen, wird es schon bald keine Heimattreffen mehr geben. Aus diesem Grund haben wir als Festrednerin für das kommende Jahrestreffen in Lüneburg eine junge Frau eingeladen, die für mich den Generationenwechsel geradezu verkörpert. Lena Hammann – so heißt sie – hat, noch als Schülerin, in einem Seniorenheim alten Menschen vorgelesen und lernte auf diese Weise eine alte Dame aus Ostpreußen kennen. Zwischen beiden Frauen entwickelte sich – über den unglaublichen Altersabstand von 80 Jahren hinweg – eine innige Freundschaft, die Lenas Leben nachhaltig geprägt hat. Sie schrieb über den schicksalhaften Lebensweg der alten Ostpreußin sogar ein Buch, bevor diese im Alter von 103 Jahren verstarb. Danach fuhr Lena auf den Spuren ihrer Freundin nach Ostpreußen, kam dabei auch nach Hohenstein – und verliebte sich spontan in das Land der ‚dunklen Wälder und kristall’nen Seen‘. Lena Hammann verkörpert jedoch nicht allein den Generationenwechsel, darüber hinaus zeigt uns ihre berührende Geschichte in vorbildlicher Weise, wie ein verständnisvolles, ja liebevolles Miteinander der Generationen gelingen kann.
In diesem Jahr begehen wir aber auch das siebzigjährige Patenschaftsjubiläum mit dem Landkreis Göttingen. Der neue Landrat hat seine Teilnahme zugesagt, worüber wir uns sehr freuen. Wir wollen ihm für all die Unterstützung, die wir in den letzten 70 Jahren vom Landkreis erfahren haben, von Herzen danken. Auch deshalb bitte ich Sie: Kommen auch Sie, wenn Sie es irgend einrichten können, nach Lüneburg – und bringen Sie Ihre Nachkommen mit. Ihre Kinder und Enkel verdanken Ihnen so viel, da halte ich es durchaus für angemessen, wenn Sie ihnen sagen: ‚Es ist mein Wunsch, dass ihr einmal mitkommt. Das ist mir wichtig.‘
Vor unserem Jahrestreffen am 15. und 16. September in Lüneburg fahren wir aber schon in zwei Wochen zu unserem nächsten Arbeitsbesuch nach Osterode. Das Programm ist wieder rappelvoll und ich will deshalb nur einen Termin herausgreifen, der mir besonders viel bedeutet: Der letzte noch lebende Abiturient des früheren Kaiser Wilhelm Gymnasiums – der in den USA lebende Prof. Armin Mruck, der in der kommenden Woche 98 Jahre alt werden wird, – hat den Wunsch, einen völkerverbindenden Schülerwettbewerb ausschreiben zu lassen, und hat dafür 1000,00 EUR gestiftet. Am 19. Juni werden wir den neuen Direktor des heutigen Lyceums besuchen und mit ihm dieses großartige Projekt besprechen. Ich bin schon sehr gespannt.
Liebe Landsleute, wenn ich in wenigen Tagen nach Ostpreußen fahre, nehme ich Ihre Gedanken und Sehnsüchte mit in die Heimat.“
Nach dem gemeinsamen Singen des Ostpreußenliedes und der deutschen Nationalhymne dankte Kreisvertreter Gieseler dem langjährigen Organisator des Regionaltreffens, Waldemar Czichon, aber auch seiner Ehefrau Angelika und unserem neuen Vorstandsmitglied Benno Kahnwald für die perfekte Vorbereitung und Durchführung des Treffens.
Im Anschluss an die Feierstunde saßen alle Anwesenden bei leckerem Kaffee und Kuchen noch lange beisammen. Angesichts der geringen Teilnehmerzahl dürfte es in den Gesprächen wohl auch um die Zukunft der Heimattreffen gegangen sein. Denn zum Abschied sagten viele: „Wir kommen wieder. Und wir kommen nach Lüneburg