Wie immer begann auch unser diesjähriges Heimattreffen in Lüneburg wieder damit, dass die Vorstandsmitglieder mit ihren Partnern und unsere Gäste aus Ostpreußen an einem Donnerstagabend (15.9.) im Hotel „Bergström“ zu einem gemeinsamen Essen zusammenkamen. Trotz der langen und beschwerlichen Anreise war die Wiedersehensfreude natürlich groß und so saßen alle noch bis tief in die Nacht hinein gemütlich zusammen.

               Blick von dem Hotel Bergström auf den Stintmarkt

Am Freitagvormittag (16.9.) besuchte der Vorstand mit den Gästen aus Ostpreußen nach einem kurzen Bummel durch die malerische Altstadt Lüneburgs das Ostpreußische Landesmuseum, wo insbesondere die beiden Mädchen aus Osterode die vielseitigen Informationen über ihre Heimat mit großem Interesse in sich aufnahmen.

                      Pauline und Nikola aus Osterode Ostpr.

Am Nachmittag begann der „offizielle“ Teil des Jahrestreffens mit der Mitgliederversammlung, auf der die neue Satzung unserer Kreisgemeinschaft einstimmig verabschiedet wurde. Auf der sich anschließenden kurzen Vorstandssitzung wurde der neue Vorsitzende der Emil von Behring Gesellschaft, Herr Artur Böhm, zum „Beauftragten für Hohenstein“ berufen.

Dass es am Nachmittag zu keinerlei Verzögerungen gekommen war, lag vielleicht auch daran, dass sich alle schon auf den traditionellen Begrüßungsabend in einem romantischen Raum direkt oberhalb der Ilmenau freuten. In zwangloser Atmosphäre wurden dort bei Kerzenschein und leckerem Essen alte Erinnerungen aufgefrischt und neue Kontakte geknüpft.

                  Jürgen Ehmann und Wieslaw Küchmeister

Die für den Samstagvormittag (17.9.) im Ostpreußische Landesmuseum angebotenen Führungen zu unterschiedlichen Themenbereichen fanden leider kein Interesse, vermutlich weil die meisten Teilnehmer die Ausstellung inzwischen schon recht gut kannten. Deshalb werden wir im kommenden Jahr die Führungen aus dem Programm nehmen und können dann auf diese Weise früher mit der Feierstunde beginnen.

Den Höhepunkt unseres Jahrestreffens bildete wiederum die Feierstunde, die in diesem Jahr ganz im Zeichen des siebzigjährigen Bestehens der Patenschaft mit der Stadt Osterode am Harz stand, deren Bürgermeister Jens Augat aus diesem Anlass eigens angereist war. Im Festsaal konnte denn auch die prunkvolle Patenschaftsurkunde vom 17. August 1952 im Original bewundert werden.

                    Patenschaftsurkunde vom 17. August 1952

Zur Eröffnung der Feierstunde wurde das Gedicht „Es war ein Land“, von der Dichterin Agnes Miegel selbst vorgetragen, eingespielt. Passend dazu wurden Fotos aus dem Landkreis Osterode eingeblendet – allerdings nicht aus der Vergangenheit, sondern aus der Gegenwart, um der Wehmut des Gedichtes die Unvergänglichkeit der ostpreußischen Natur gegenüberzustellen.

Kreisvertreter Burghard Gieseler erinnerte in seiner Begrüßungsansprache daran, dass es Siedler aus Osterode am Harz waren, die im Jahr 1329 Osterode Ostpreußen gegründet hatten und deren Nachfahren nach 700 Jahren gezwungen waren, ihre Heimat zu verlassen. Sie kehrten in Form unserer Kreisgemeinschaft gewissermaßen an ihren Ursprungsort nach Osterode am Harz zurück, wo sie mit offenen Armen wieder aufgenommen wurden. „Mit der Übernahme der Patenschaft bereits im Jahr 1952, als Flucht und Vertreibung erst wenige Jahre zurücklagen, übte Ihre Stadt, Herr Bürgermeister, aktive Solidarität mit den entwurzelten und oft traumatisierten Landsleuten aus dem Osten,“ sagte Gieseler. Der Kreisvertreter richtete seinen Blick aber auch auf die Gegenwart und schilderte dem Bürgermeister, den er augenzwinkernd als „Patenonkel“ bezeichnete, die aktuellen Herausforderungen, vor denen das „Patenkind“ gegenwärtig steht. Neben den wegen der hohen Inflation finanziellen Sorgen und der nach wie vor ungeklärten Zukunft der Heimatsammlung hob er besonders den Generationenwechsel hervor. Er schloss mit den Worten: „Wir haben den Generationenwechsel noch lange nicht geschafft, sind aber auf einem guten Weg. Wir verstehen die Pflege der ostpreußischen Kultur und die Aussöhnung zwischen Deutschen und Polen als notwendige Zukunftsaufgaben. Deshalb sind wir fest entschlossen, uns für diese doppelte Zielsetzung mit all unserer Kraft einzusetzen und die Kreisgemeinschaft in eine gute Zukunft zu führen. Es ist ein schönes Gefühl, unsere Paten dabei an unserer Seite zu wissen!“

                                 Kreisvertreter Burghard Gieseler

Bürgermeister Augat würdigte in seiner Ansprache die Arbeit der Kreisgemeinschaft und hob dabei insbesondere deren Bedeutung für die Städtepartnerschaft zwischen Osterode am Harz und Ostróda hervor: „Die Städtepartnerschaft mit Ostróda gibt es nur dank der Kreisgemeinschaft und die Kreisgemeinschaft ist nicht zuletzt deshalb auch ein Teil von Osterode am Harz. (…) Die Kreisgemeinschaft Osterode Ostpreußen ist auch heute noch Bindeglied und wichtige Säule dieser Städtepartnerschaft.“ Die Ausführungen des Bürgermeisters fanden ihren eindrucksvollen Höhepunkt in einem klaren Bekenntnis zur Patenschaft: „Mit Ihrem Wirken haben Sie alle einen wesentlichen Beitrag zur Völkerverständigung geleistet. Sie alle haben durch Ihr Handeln bewiesen, dass Ausgleich und Versöhnung möglich sind und Revanchismus, Hass und eine damit einhergehende Kaskade von Gewalt keine Lösung sein können. Bitte setzen Sie dies fort und machen Sie auch weiterhin die Welt zu einem besseren Ort. Ich darf Ihnen versichern, dass die Stadt Osterode am Harz in ihren Möglichkeiten weiter konstruktiv an der Patenschaft arbeiten wird.“

                          Bürgermeister Jens Augat aus Osterode

Diese Worte waren weit mehr als eine höfliche Geste gegenüber einem in die Jahre gekommenen „Patenkind“!

Der Festvortrag der Feierstunde befasste sich in diesem Jahr mit dem landeskundlichen Thema „Oberland – die verschwundene Landschaft“. Der Anlass für diese Themenwahl war der Umstand, dass in den letzten Jahren Tourismusbehörden und Reisebüros dazu übergegangen sind, das Oberland, als dessen Perle sich Osterode doch stets verstand, als „Westmasuren“ zu bezeichnen. Dieser Tendenz stellte sich Dr. Gogan in seinem fulminanten, mit zahlreichen Folien veranschaulichten Vortrag entgegen. Er legte dar, dass sich Geschichte und Kultur des Oberlandes signifikant von der Masurens unterscheiden. Diese Unterschiede zu verwischen liefe darauf hinaus, die Geschichte nachträglich umzuschreiben.

Nach langanhaltendem Beifall neigte sich die Feierstunde schon ihrem Ende entgegen, als überraschenderweise Waldemar Czichon das Wort ergriff und mit gesetzten Worten und feierlicher Miene eine Ehrung vornahm. Dr. Uwe Dempwolff und Burghard Gieseler erhielten aus seiner Hand das Ehrenzeichen in Silber der Landsmannschaft Ostpreußen. Die beiden Geehrten, die von dieser hohen Auszeichnung nichts geahnt hatten, waren sichtlich gerührt und dankbar.

                   Burghard Gieseler, Waldemar Czichon, Dr. Uwe                  Dempwolff mit dem Ehrenzeichen in Silber der LO

Nach dem Ostpreußenlied und der deutschen Nationalhymne fand das Jahrestreffen bei Kaffee und Kuchen einen geselligen Ausklang.

Alle, die zu dem Jahrestreffen 2022 nach Lüneburg gekommen waren, waren restlos begeistert. Aber – auch das darf nicht verschwiegen werden – es waren viel zu wenige gekommen, so dass sich durchaus die Frage stellt, ob der immense Aufwand eines Jahrestreffens noch verhältnismäßig ist.

                        Jeannette Papke und Angelika Czichon

Im kommenden Jahr werden wir im Rahmen unseres Jahrestreffens das siebzigjährige Bestehen der Patenschaft mit dem Landkreis Göttingen begehen. Wir freuen uns darauf, dann hoffentlich wieder zahlreiche Teilnehmer begrüßen zu können.

Burghard Gieseler

 

 

Leave a comment

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

de_DEGerman